Haftbedingungen in Rumänien und Abwesenheitsurteile mehr als problematisch

01.01.2021 - Im Dezember 2020 hatte ich mit der Verfassungsbeschwerde Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat wegen einer Auslieferung an Rumänien das OLG Celle aufgehoben. Dabei hat das BVerfG zum ersten Mal die Unionsgrundrechte für die Verfassungsbeschwerde als Prüfungsmaßstab anerkannt. Vorher hatte das OLG Celle meinen Mandanten bereits aus der Haft entlassen.

In anderen Fälle hatte ich gegen Auslieferungsersuchen aus Rumänien Erfolg beim OLG Hamm. In einem dieser Fälle hat auch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm am Ende beantragt, die Auslieferung an Rumänien zur dortigen Strafvollstreckung aufgrund eines Europäischen Haftbefehl für unzulässig zu erklären. Zwar hatten die rumänischen Behörden Zusicherungen zu den dortigen Haftbedingungen gegeben, aber die reichten bei weitem  nicht aus (OLG Hamm III-2 Ausl 152/19). Ein persönlicher Haftraumanteil von 2 m²  entspricht nun mal nicht den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.  Erstaunlich ist, dass Rumänien mit solchen  Zusicherungen immer noch Auslieferungsersuchen nach Deutschland schickt.

Im Zusammenhang mit Auslieferungsersuchen aus Rumänien geht es regelmäßig auch um sog. "Abwesenheitsurteile". Solche „Abwesenheitsurteile“ aus anderen europäischen Ländern führen in Deutschland oft zur Versagung der Auslieferung. Schon wenn man in diesen Fällen die Europäischen Haftbefehle (EuHb) sachkundig liest, erscheinen diese vielfach nicht nachvollziehbar und widersprüchlich. Sie betreffen nicht selten einen „Verfolgten“, der in Deutschland wohnt und aus dem Ausland nie eine Ladung zur Hauptverhandlung erhalten hat.

In der Praxis werden – z.B. von Belgien, Italien, Polen, Rumänien u.a. - Europäische Haftbefehle (EuHb´s) ausgestellt, auch wenn nicht feststeht, dass den Verfolgten die Ladung zur Hauptverhandlung auch persönlich erreicht hat. Manche Staaten arbeiten mit sog. „Zustellungsfiktionen“, die aber im deutschen Auslieferungsrecht nicht ausreichen.

Das Abwesenheitsurteil im deutschen Auslieferungsrecht

Ein auslieferungsfähiges Abwesenheitsurteil entsteht auch nicht dadurch, dass der Verfolgte in der ausländischen Hauptverhandlung von einem durch das Gericht bestellten Pflichtverteidiger vertreten wurde, von dem der Verfolgte gar nichts wusste.

Bei mehreren Instanzen im ausländischen Strafverfahren kommt es zudem darauf an, dass der Verfolgte auch für die zweite Tatsachen-Instanz, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eine vollständige Prüfung der Schuldfrage umfasst, nachweislich ordnungsgemäß geladen wurde.

Besonderheiten gelten im deutschen Auslieferungsrecht nach § 83 II Ziff. 2 IRG aber in sog. „Fluchtfällen“, in denen der Verfolgte in Kenntnis des gegen ihn gerichteten Verfahrens, an dem ein Verteidiger beteiligt war, eine persönliche Ladung durch Flucht verhindert hat. Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 08. Juli 2019 - 2 AR 6/19) hat im Zusammenhang mit den sog. „Fluchtfällen“ herausgestellt, dass Flucht ist im Sinne des § 83 Abs. 2 Nr. 2 IRG bei Abwesenheitsurteilen nicht bereits das Verlassen des Verfolgungsstaates ist, sondern nur ein bewusstes Sich-Entziehen zu dem Zweck, die Strafverfolgung zu vereiteln. Dafür reicht es nicht aus, dass der Verfolgte den Verfolgungsstaat verlässt, um an seinen offiziellen Wohnsitz im europäischen Ausland zurückzukehren oder um dort einen offiziellen Wohnsitz zu begründen.

Das OLG Brandenburg (Beschl. v. 08. Juli 2019 - 2 AR 6/19) hat auch die weitere Ausnahme nach § 83 Abs. 4 IRG behandelt, wonach eine Auslieferung abweichend von § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG zulässig ist, wenn der verurteilten Person unverzüglich nach Übergabe an einem ersuchenden Mitgliedstaat das Urteil persönlich zugestellt werden wird und er ein adäquates Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens durchsetzen kann.

Dabei muss aber die Wiederaufnahme und die Erneuerung der Hauptverhandlung allein vom Willen des Verfolgten abhängen und an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft sein (vgl. OLG Brandenburg aaO., unter Hinweis auf KG vom 15.3.2019-(4) 151 AuslA 167/18 (178/18)).

Bewährungswiderruf in Abwesenheit

Anzumerken ist auch, dass sich auch beim Bewährungswiderruf in Abwesenheit, d.h. bei dem Widerruf einer im Strafurteil gewährten Strafaussetzung zur Bewährung eine vergleichbare Problematik darstellen kann. Hier kann sich u.U. ein Auslieferungshindernis daraus ergeben (§ 73 S. 2 IRG), dass dem Verfolgten trotz Kenntnis seinen Wohnsitzes in Deutschland vor einem Widerruf der Strafaussetzung kein rechtliches Gehör gewährt worden ist.

 

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