Anwalt zu Haftbedingungen in der Republik Belarus

24. 10. 2018 - Das Oberlandesgericht München (1 AR 26/18) hat mit Entscheidung vom 24. 10. 2018 die Auslieferung an Weißrussland (Belarus) für unzulässig erklärt, weil die dort zu erwartenden Haftbedingungen die vom Europäischen Gerichtshof für Men­schenrechte in seiner Grundsatzentscheidung vom 20.10.2016 (EGMR, Urteil der großen Kam­mer vom 20.10.2016 - 7334/13, Mursic / Kroatien) aufgestellten Kriterien nicht erfüllen.

Haftraumgrösse als messbares Kriterium

Die Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus hatte vorher zu den Haftbedingungen, die den Verfolgten im Falle der Auslieferung erwarten würden, erklärt, dass der Verfolgte in Weißrussland in Haftanstalten untergebracht würde, wo ihm in der Haftzelle nur 2,5 Quadratmeter bzw. 2 Quadratmeter zur Verfügung stünden. Solche Erklärungen der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus zur Haftsituation (2,5 Quadratmeter bzw. 2 Quadratmeter Haftraum) sind auch schon in anderen Verfahren aufgetaucht und von deutschen Gerichten unterschiedlich (s.u.) aufgenommen worden. Dem Oberlandesgericht München (1 AR 26/18) hat das freimütige Bekenntnis der weißrussischen Generalstaatsanwaltschaft zu menschenunwürdiger Haftraumgröße gereicht, um im deutschen Auslieferungsverfahren festzustellen, dass die im Falle der Auslieferung zu erwartenden Haftbedingungen in Weißrus­sland ein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG begründen, da nicht sichergestellt ist, dass die Haftbedin­gungen den in Art. 3 MRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen. Die Anforderun­gen, die Art. 3 MRK normiert, gehören gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV zu den von § 73 IRG in Bezug genommenen Grundsätzen aus Art. 6 EUV.

Kammergericht sieht zwar durchgreifende Anhaltspunkte für strukturell unzureichende Haftbedingungen in Belarus ...

Anders geht inzwischen aber offenbar das Berliner Kammergericht (KG) mit Auslieferungsersuchen aus Weißrussland um. In einem Beschluss vom 15.02.2019 - (4) 151 AuslA 178/17 (10/18) hat das KG erklärt: „Die Haftbedingungen in der Republik Belarus hindern die Auslieferung nicht“, obwohl dem Senat bewusst ist, „dass durchgreifende Anhaltspunkte für strukturell unzureichende Haftbedingungen im ersuchenden Staat vorliegen“.

... läßt aber Zusicherungen im Auslieferungsverfahren ausreichen

Das Berliner Kammergericht (KG) verlässt sich trotzdem auf Zusicherungen der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus, dass der Verfolgte während der Untersuchungs- und etwaiger Strafhaft in Haftanstalten untergebracht werden wird, die der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Strafvollzugsgrundsätze vom 11. Januar 2006 (Empfehlung des Europarates REC(2006)2) entsprechen. Solche Zusicherungen sollen genügen, um Bedenken auszuräumen, die sich aus Missständen im belarussischen Justizvollzug ergeben. Denn – so das KG in dem Beschluss vom 15.02.2019 - (4) 151 AuslA 178/17 (10/18) - im Auslieferungsverkehr zwischen Deutschland und anderen Staaten sei dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich Vertrauen entgegenzubringen, solange nicht im Einzelfall zu erwarten sei, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. - Ich weiß nicht, ob die Zusicherung im Fall des Kammergerichts genau so aussah wie in unserem Fall des OLG München, wo konkret eine menschenunwürdige Haftraumgröße von nur 2,5 Quadratmeter bzw. 2 Quadratmeter zugesichert wurde. Denn dann allerdings war klar zu erwarten, dass die Zusicherung menschenwürdiger Haftunterbringung nicht eingehalten wird, denn der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen vom 11. Januar 2006 (Empfehlung des Europarates REC(2006)2) genügen 2,5 Quadratmeter bzw. 2 Quadratmeter nicht.

Rechtsanwalt: Keine Auslieferung ohne Aufklärung

Im Zulässigkeitsverfahren sind die Oberlandesgerichte verpflichtet, etwaige Auslieferungshindernisse vollständig in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht aufzuklären. Darüber wacht das Bundesverfassungsgericht, das - wegen der geringen Rechtsschutzmöglichkeiten des Verfolgten gegen die spätere Bewilligungsentscheidung der Bundesregierung - Zusicherungen des ersuchenden Staates nicht erst im Bewilligungsverfahren einfordert, sondern ausdrücklich schon im gerichtlichen Zulässigkeitsverfahren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG unterliegen die Oberlandesgerichte bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Auslieferung der verfassungsrechtlichen Pflicht, ggfs. die völkerrechtlich verbindlichen Zusicherungen des ersuchenden Staates einzuholen, die erforderlich sind, um die Einhaltung des nach Art. 25 GG verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandards sicher zu stellen.

Rechtsanwalt zur Belastbarkeit von Zusicherungen

Völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen des ersuchenden Staates können Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung grundsätzlich ausräumen, wenn nicht im Einzelfall zu befürchten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Die Belastbarkeit einer Zusicherung muss das OLG im Auslieferungsverfahren selber einschätzen, wobei die Bestimmtheit und Aussagekraft der Zusicherung wesentliche Kriterien sind und welche staatliche Stelle die Zusicherung abgegeben hat, und ob diese Stelle die Einhaltung der Zusicherung überhaupt sicherstellen kann. Einwände können sich vor allem auch daraus ergeben, dass Zusicherungen gerade dieses Staates in der Vergangenheit nicht eingehalten wurden, was wir für Belarus in einem Fall auch schon dargelegt haben.

 

 

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