Ganz kurzfristig nicht liquide - Der Europäische Haftbefehl

03. February 2016

Ganz kurzfristig nicht liquide - Der Europäische Haftbefehl
Wenn der Strafrichter oder ein Strafgericht einen nationalen Haftbefehl erläßt, wird der im Inland vollstreckt, sozusagen unmittelbar und ohne daß dem eine weitere justizielle Entscheidung vorausgehen muß.
Weit weniger direkt wirkt ein Europäischer Haftbefehl aus einem Mitgliedstaat, den in Deutschland erst ein Oberlandesgericht in einem gesetzlich geregelten Verfahren in einen - zumindest vorläufigen (§ 16 IRG) - Auslieferungshaftbefehl umsetzen muß. Und die Umsetzung des Europäischen Haftbefehls in einen vollstreckbaren Auslieferungshaftbefehl ist auch nur zulässig, wenn dafür bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen. Die Inhaftierung erfolgt in jedem Fall aufgrund einer autonomen innerstaatlichen Entscheidung, um die der Ausstellerstaat mit dem Europäischen Haftbefehl offiziell bittet. U.a. muß in Deutschland tatsächlich ein Haftgrund festgestellt werden, wofür allerdings regelmäßig die vom Ausstellerstaat behauptete "Fluchtgefahr" herhalten muß. Der Verfolgte kann sich hier aber - oft erfolgversprechend - gegen die Annahme der Fluchtgefahr verteidigen. Es gibt inzwischen, man kann sagen in großen Mengen, Verfügungen deutscher Generalstaatsanwaltschaften und Entscheidungen von Oberlandesgerichten, die die Fluchtgefahr auch bei der Umsetzung eines Europäischen Haftbefehls verneint haben. Ein Europäischer Haftbefehl aus einem europäischen Mitgliedstaat berechtigt im Inland die Strafverfolgungsbehörden also nicht unmittelbar zur Inhaftierung des Verfolgten, es bedarf erst eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes, nämlich des Erlasses eines Auslieferungshaftbefehls. Erst recht kann der Ausstellerstaat des Europäischen Haftbefehls nicht erzwingen, daß der Verfolgte hier wirklich festgenommen wird und in Auslieferungshaft geht. Denn ein Auslieferungshaftbefehl wird nur erlassen, wenn die dafür im deutschen Auslieferungsrecht festgeschriebenen weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Ein Europäischer Haftbefehl ist deshalb nur ein Fahndungsinstrument und ein Auslieferungsersuchen, aber kein Haftbefehl im eigentlichen Sinne. Trotz eines aus dem Ausland eingehenden Europäischen Haftbefehls bleibt es den deutschen Behörden unbenommen, den Verfolgten auf freien Fuß zu lassen oder nach dem ersten Festhalten wieder auf freien Fuß zu setzen. Mit dem Europäischen Haftbefehl kann auch nicht die Überstellung des Verfolgten in den Ausstellerstaat unbedingt erzwungen werden, der Europäische Haftbefehl setzt erst ein Auslieferungsverfahren in Gang, dessen Ausgang nicht festgelegt ist und das im Inland entschieden wird.
So gibt es von vornherein Einschränkungen bei der Auslieferung deutscher Staatsangehöriger (§ 80 IRG), die perse nur zur Strafverfolgung, nicht zur Strafvollstreckung ausgeliefert werden. Es gibt gleichartige Vorbehalte für ausländische Mitbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland (§ 83b Nr. 2 IRG), die nicht zur Strafvollstreckung ausgeliefert werden müssen.
Weitere Einschränkungen folgen aus dem Doppelbestrafungsverbot (§ 9 IRG) und auch die gleichzeitige Anhängigkeit eines Ermittlungsverfahrens in Deutschland oder die Gebotenheit der Einleitung eines solchen kann der Auslieferung eines Verfolgen entgegenstehen (§ 83b Abs. 2 IRG). Um hier wirklich nur weitere Beispiele zu nennen: Mangelnde Tatkonkretisierung im Europäischen Haftbefehl, fehlende Schlüssigkeit des Vorwurfs, Verjährung der Strafbarkeit, insbesondere in Deutschland eingetretene Verjährung, fehlende beiderseitige Strafbarkeit, Unverhältnismäßigkeit der Sanktion, Krankheit oder Medikamentenabhängigkeit des Verfolgten und fehlender Tatverdacht bei Alibibeweis, sind Gründe, aus denen Oberlandesgerichte die Auslieferung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls in der jüngeren Vergangenheit abgelehnt haben.


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