Auslieferung an Polen

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Eine Auslieferung an Polen kann auf der Basis eines Europäischen Haftbefehls erfolgen. Deutschland und Polen unterhalten als Nachbarländer einen regen Auslieferungsverkehr in beide Richtungen, wobei vor allem die internationale Presse beklagt, dass Polen den Europäischen Haftbefehl oft auch für Bagatelldelikte eingesetzt hat. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen.

Auch deutsche Staatsangehörige können auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls zur Strafverfolgung nach Polen ausgeliefert werden.

Europäischer Haftbefehl aus Polen

Der Europäische Haftbefehl wird unmittelbar zwischen den zuständigen Justizbehörden beider Staaten übermittelt. 

In Polen werden Haftbefehle während des Ermittlungsverfahrens von den Amtsgerichten erlassen. Der Erlass eines Haftbefehls setzt einen erheblichen Tatverdacht voraus und dazu Verdunkelungsgefahr oder Fluchtgefahr oder Wiederholungsgefahr. Im Zusammenhang mit der Fluchtgefahr berichten mir polnische Kollegen, dass diese regelmäßig schon angenommen wird, wenn der Beschuldigte keinen Wohnsitz in Polen hat. Die Untersuchungshaft ist nicht mehr zulässig, wenn gute Gründe für die Annahme bestehen, daß die zu erwartende Strafe die Untersuchungshaft nicht übersteigt oder wenn zu erwarten ist, daß die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

 Das polnische Strafprozessrecht kennt außer der Aufhebung des Haftbefehls auch die Aussetzung des Vollzuges, auch gegen Kaution. Darüber hinaus gibt es im Zusammenhang mit der Haftverschonung Auflagen, wie polizeiliche Meldepflichten, zeitweise Betätigungsverbote oder das Verbot, das Land zu verlassen. Das polnische Recht kennt ein differenziertes System von Rechtsmitteln gegen einen Haftbefehl, die zum Teil fristgebunden sind. Auch wer sich im Ausland aufhält, kann ein Rechtsmittel gegen den Haftbefehl einlegen, was während eines Auslieferungsverfahrens Bedeutung erlangen kann.

OLG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 10.05.2016 - 2 Ausl A 202/15) zur Auslieferung an Polen, insbesondere zur Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthaltes eines Ausländers in Deutschland.

Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 15.06.2016 - 2 BvR 468/16) zur Auslieferung an Polen, insbesondere zur Bedeutung des Art. 16 Abs. 2 GG: „Art. 16 Abs. 2 GG schützt deutsche Staatsangehörige grundsätzlich vor Auslieferung, nur ausnahmsweise ist eine Auslieferung zulässig, „soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind“.

Die meisten in Deutschland eingehenden Auslieferungsersuchen kommen aus Nachbarländern, aber Polen nimmt dabei mit deutlichem Abstand die Spitzenposition ein. Auch in unserer Praxis nehmen die Verfahren aus Polen zahlenmäßig eine Spitzenposition ein. Und zugleich haben wir hier die besten Erfolge bei der Verteidigung. Häufig können wir bei Einwanderern aus Polen die soziale Integration des Verfolgten in Deutschland und damit die Voraussetzungen eines Bewilligungshindernisses nach § 83 b Abs. 2 b) IRG darstellen.

OLG Köln: Ein Auslieferungshindernis nach § 83 Ziff. 3 IRG besteht, wenn der Verfolgte vor einem polnischen Gericht in Abwesenheit verurteilt wurde.

Eine Ladung des Verfolgten – nach polnischer Rechtsordnung eine wirksame Ladung zur Verhandlung – iSd. Art. 139 § 1 poln. StPO genügt .... nicht zwingend einer „persönlichen“ Ladung iSd. § 83 Ziff. 3 IRG. Ebenso wenig kann aufgrund dieser Ladung festgestellt werden, dass der Verfolgte auf andere Weise (sichere) Kenntnis von der Verhandlung hatte. Ein Ausräumen des Verfahrenshindernis nach § 83 Ziff. 3 IRG ist nur durch Gewährung eines neuen Verfahrens möglich - OLG Köln, Beschl. v. 02.09.2011. 

OLG Düsseldorf: Die Sache ist gemäß § 42 Abs. 1 IRG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der Rechtsfrage vorzulegen, ob die ergänzende Zulässigkeitsvoraussetzung des § 83 Nr. 4 IRG, wonach bei lebenslanger Freiheitsstrafe eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe spätestens nach 20 Jahren erfolgen muss, durch die nach Art. 560 ff. der polnischen Strafprozessordnung vorgesehene Möglichkeit einer - gemäß Art. 139 der polnischen Verfassung dem Präsidenten der Republik vorbehaltenen - Begnadigung erfüllt ist - OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.08.2011.

OLG Rostock: Soweit der Beschwerdeführer zunächst pauschal auf zahlreiche Verurteilungen der Republik Polen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Verstoßes gegen Art. 6 MRK hinweist, können daraus für das vorliegende Verfahren keine konkreten Schlussfolgerungen gezogen werden. Ein allgemeiner Rechts- oder Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei einem Staat, dessen Justiz wiederholt gegen Grundsätze der MRK verstoßen hat, davon auszugehen ist, dass dies in jedem dort geführten Verfahren so geschieht, existiert nicht - OLG Rostock, Beschluss v. 08.06.2010.

 

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