Auslieferung nach Belgien

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Auslieferungsersuchen aus Belgien sind in Deutschland statistisch gesehen keine Seltenheit. Zwischen Deutschland und Belgien wird die Rechtslage durch den Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. der EU Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1) bestimmt. Eine Auslieferung wegen fiskalischer Straftaten ist ebenso möglich wie die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger an Belgien.

Europäischer Haftbefehl vom Untersuchungsrichter

In Belgien kann nur ein sog. „Untersuchungsrichter“ einen Haftbefehl ausstellen. Der Tatverdacht muss sich auf eine Straftat richten, die mindestens mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht ist. Es müssen plausible Gründe für den Tatverdacht vorliegen. Der Haftbefehl muss die Tat, die anzuwendenden Straftatbestände und die den Tatverdacht tragenden Tatsachen enthalten. Nachdem er zuerst einen nationalen Haftbefehl ausgestellt hat, kann der Untersuchungsrichter in Belgien auch einen europäischen Haftbefehl ausstellen.

Das Belgische Recht kennt eigentlich eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls nicht. Aber der Untersuchungsrichter kann nach seinem Ermessen die Haft wieder aufheben oder den Inhaftierten bedingt freilassen, wobei die bedingte Freilassung auch an eine Kautionszahlung gebunden werden kann.

 In Belgien gibt es ein an Fristen gebundenes Überprüfungssystem, in dem die Aufrechterhaltung des Haftbefehls von der Ratskammer (I. Instanz) und dem Appellationshof geprüft wird. Rechtsmittel der Verteidigung haben aber keine aufschiebende Wirkung.

 Abwesenheitsurteile aus Belgien

Belgien ist bekannt für Abwesenheitsurteile, die als Grundlage für Auslieferungsverfahren hoch problematisch sind.

Gegen Abwesenheitsurteile ist der Einspruch innerhalb einer Frist von 15 Tagen zulässig, wobei die Frist mit der Zustellung der Entscheidung beginnt. Ist die Zustellung nicht möglich, gilt eine weitere „außerordentliche Frist“ von 15 Tagen, die mit der Kenntnisnahme der Zustellung durch den Betroffenen beginnt. Wenn der Betroffene von der Zustellung gar nichts erfährt, kann er bis zur Grenze der Verjährung auch später noch einen Einspruch einlegen.

 In den Auslieferungsfällen gilt, dass der Verfolgte den Einspruch innerhalb von 15 Tagen ab dem Datum seiner Auslieferung einlegen muss. Wird er in Deutschland von der Auslieferungshaft verschont, dann muss die Frist vorsorglich für einen Zeitraum von 15 Tagen nach seiner Haftfreilassung berechnet werden. Besondere Fristen gelten für die Einlegung der Berufung. Hinsichtlich aller Fristen muss von einem Verfolgten unbedingt der Rat eines belgischen Rechtsanwaltes eingeholt werden, weil sie sich die Vorschriften ändern können und weil sich die Fristberechnung von hier aus ohne Kenntnis der belgischen Verfahrensakten nicht verbindlich beurteilen lässt ! – Ich kann hier nur Anhaltspunkte aufzeigen.

Sog. „Kriminalstrafen“ verjähren in Belgien nach 20 Jahren, andere Strafen auch nach 5 oder 10 Jahren ab der Rechtskraft des Urteils. Auch Ausländer können in Belgien ein Gnadengesuch einreichen, über das König entscheidet.

Belgien schützt Selbstbelastungsfreiheit

Auch im belgischen Strafverfahren ist der Beschuldigte nicht verpflichtet, gegen sich selber auszusagen, er besitzt ein Schweigerecht. Wer sich in Haft befindet, hat das Recht auf den Beistand eines Rechtsanwaltes.

In 2015 / 2016 hatte ich Erfolg mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Auslieferung an Belgien (Bundesverfassungsgericht, Beschl. vom 15.1.2016 – 2 BvR 1860/15), die dann auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf letztendlich abgelehnt wurde.

teilweise schlechte Haftbedingungen

Im Jahre 2014 äußerte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte EGMR kritisch zu den Haftbedingungen in den belgischen Haftanstalten Antwerpen und Merksplas. In der Haftanstalt Antwerpen waren drei Häftlinge für mehrere Tage in einer Zelle von 8 m² untergebracht, einer musste auf einer Matratze auf dem Boden schlafen. In der Haftanstalt Merksplas wurden 4 Häftlinge, darunter Raucher, in einer Zelle von 16 m² ohne fließendes Wasser und Toilette untergebracht. Anträgen auf eine Verlegung in eine Nichtraucherzelle werden dort nicht immer stattgegeben. Der EGMR stellte zu der Situation in Belgien erneut fest, dass eine Fläche von weniger als 3 m² pro Häftling für sich genommen bereits einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellt ebenso wie das Fehlen fließenden Wassers und einer Toilette in der Zelle und das erzwungene Passivrauchen.

 

OLG Hamm (Beschl. v. 16.08.2016 - 2 Ausl. 145/13) zur Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen, der bereits in Deutschland aufgrund einer inländischen Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt.

Pfälzisches OLG Zweibrücken: Die beantragte Auslieferung des Verfolgten an das Königreich Belgien zum Zwecke der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Strafgerichts in Mechelen vom 27. 3. 2003 (Az. …) wurde für nicht zulässig erklärt, weil ihr ein Auslieferungshindernis entgegenstand. Der europäische Haftbefehl basierte auf einem sog. Versäumnisurteil bzw. Abwesenheitsurteil nach belgischem Strafprozessrecht. Grundsätzlich ist die Auslieferung zur Vollstreckung eines ausländischen Abwesenheitsurteils unzulässig, wenn der Verfolgte weder über die Durchführung und den Abschluss des ihn betreffenden Verfahrens in irgendeiner Weise unterrichtet war, noch ihm die Möglichkeit eröffnet ist, sich nach Erlangung dieser Kenntnis nachträglich rechtliches Gehör zu verschaffen und sich wirksam zu verteidigen (BVerfG NJW 1991, 1411; BGHSt 47, 120). Pfälzisches OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.08.2006 - 1 Ausl. 16/05).

 

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